Geld ist derart ungleich verteilt, dass darin bemessene Strafen und Umweltabgaben ein Hohn sind. 60€ fürs Schwarzfahren sind ein richtiger Schlag ins Kontor, wenn man alte Menschen pflegt. Klaus-Dieter hingegen ärgert sich vielleicht, dass sein jährlicher Segeltrip in der Karibik mit den Motorradkumpels durch die Einführung eines CO2-Preises teurer wird, angesichts seines seit den 80ern kontinuierlich gestiegenen Gehalts als Chemieingenieur findet die Aktion aber trotzdem nicht einfach stattdessen auf dem IJsselmeer statt. Die erreichte Lenkungswirkung auf das individuelle Verhalten ist ein Witz. Und das leider gerade da, wo am meisten zu holen wäre - die größten Verursacher der Klimakatastrophe z.B. sind nämlich in den obersten 10% der Einkommensverteilung zu finden. Zeit, über unsere Anreizsysteme nachzudenken, finde ich.
Und hier sind wir schon beim Stichwort: Eine Reinigungskraft muss für einen Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens ein Vielfaches der Stunden arbeiten, die ein ein IT-Consultant dafür aufwenden muss. Soll das so sein? Gehört das so?
Unser impliziter Gesellschaftsvertrag sieht doch im Grunde so aus: Wer sich jahrelang bei Brot und Wasser abschuftet, um höhere Weihen der Berufsqualifizierung zu erlangen, dem soll dies eines Tages angemessen vergolten werden. Das hat seine Lücken; wer etwa sagt, dass von Hand Mauern hochzuziehen weniger wertvoll ist als das Planen eines Gebäudes („seinen Beruf kann sich jeder aussuchen“ ist eine Illusion, „das kann nun mal nicht jeder“ halte ich für selektierende Kackscheiße, mit Verlaub)? Oder warum soll, vom Standpunkt der Allgemeinnützigkeit aus gesprochen, die Geschichtswissenschaft bitte schlechtere Gehälter zahlen als die Informatik? Aber selbst in diesem Denkmodell kommt nicht vor, dass Sanktionen für antisoziales Verhalten jemanden weniger hart treffen sollen, der ein Familienunternehmen geerbt oder einen anderen Sechser in der Arbeitsmarktlotterie gezogen hat. Anderswo hat man dabei bereits über einkommensabhängige Strafen z.B. für Verkehrsdelikte nachgedacht und auch hierzulande bemisst man gelegentlich Tagessätze am Einkommen des oder der Beschuldigten. Das sind aber Ausnahmen, die Regel sind Pauschalen. Sanktionen etwa in Form verbindlich und einklagbar abzuleistender Sozialstunden statt Geld wären hingegen per Definition immun gegen ungleiche Einkommen, Währungsunterschiede oder Inflation. Aus irgendeinem Grund fällt uns aber nichts anderes ein, als hierfür die Indirektion des Geldes zu wählen. Und das, obwohl man an den qualitativ heterogenen Versuchen, vielerorts sozialen Ausgleich an Dinge wie den CO2-Preis dranzupflastern, durchaus so etwas wie ein Problembewusstsein ablesen kann. Wenn nun aber gewisse Parteien und Individuen plötzlich ihr Herz für die Armen entdecken und genau diese Ungerechtigkeit als Argument gegen so eine Maßnahme anführen, entbehrt das nicht einer gewissen Doppelzüngigkeit. Ich jedenfalls kann mir keinen IG-Farben-Erben vorstellen, dem es nicht gefiele, aus seinem Geburtsrecht der besonders tiefen Taschen Vorteile zu ziehen und sich von Zwängen des gemeinen Volkes freizukaufen.
Hat hingegen aber irgendjemand Zweifel, dass wir über Nacht blühende Industrien für elektrifizierten Individualverkehr und Fleischersatzprodukte hätten, dass Christan L. und seine Freunde sich jeden Inlandsflug und jede Dienst- oder Sonntagsfahrt im Porsche ganz genau überlegen würden, wenn am Ende eines Jahres die persönliche Treibhausgasbilanz ausgerechnet und für jeden Zentner oberhalb einer vorher festgelegten Grenze eine Stunde gemeinnützige Arbeit verrichtet werden müsste? Wer die Kinder unbedingt mit dem SUV zur Schule fahren möchte kann das weiterhin tun, muss dann aber halt in der Obdachlosenunterkunft die Bettwäsche wechseln. Wer hätte denn noch Kohlestrom in seinem häuslichen Energiemix, wenn er dafür im folgenden Jahr wochenendweise die Hinterlassenschaften jugendlicher Partygäste von den Parkwiesen zu klauben hätte? Wie lange müssten wir wohl auf klimaneutrale Flugzeugantriebe warten, wenn selbst für Hans Werner Sinn die Alternative lautete, frühmorgens in der Bahnhofsmission Brote für die Gestrandeten zu schmieren?
Hand aufs Herz: Auch ich glaube natürlich nicht daran, dass so eine Idee ernsthaft Mehrheiten fände. Lieber leisten wir uns Wirtschaftsliberale in unseren Parlamenten, die religiös daran festhalten, alles in Geld zu quantifizieren. Aber schön finde ich den Gedanken, und er regt (zumindest mich) zum Nachdenken an. Denn die Verdienstmöglichkeiten der Menschen mögen sehr verschieden sein, der Tag hat doch für alle nur 24 Stunden.
Comments
No comments yet. Be the first to react!